Dreht sich die Erde im Sommer oder im Winter schneller? Ich muss zugeben: Ich selbst habe dazu Unsinn erzählt. Das ist eine physikalisch spannende Geschichte, die anders ausgeht als ich bisher dachte. (Thread)
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Was ich bisher dachte - und wofür man auch viele Quellen findet - ist der Laub-Effekt: Im Frühling wachsen Blätter hoch oben auf den Bäumen, im Herbst fallen sie zu Boden. Die Masse der Blätter (weltweit gerechnet eine ganze Menge) ist im Sommer also höher oben als im Winter.
Genaugenommen muss man dazusagen: Auf der Südhalbkugel sind die Jahreszeiten genau umgekehrt, aber das spielt eine kleinere Rolle, weil es auf der Nordhalbkugel viel mehr Bäume gibt als auf der Südhalbkugel.
Das bedeutet aber: Die Rotationsgeschwindigkeit der Erde muss sich ändern, wegen der Drehimpulserhaltung. Das ist wie bei der Pirouette beim Eislaufen: Wenn man die Arme ausstreckt, dreht man sich langsam, zieht man sie näher an die Drehachse (also an den Körper) heran, dreht man sich schneller.
Genauso sollte sich also eigentlich die Erde schneller drehen, wenn sie im Herbst die Blätter an sich heranzieht. Man kann das ausrechnen und kommt dann auf eine gesteigerte Rotationsgeschwindigkeit, die den Tag um einige Nanosekunden kürzer werden lassen sollte. Wenig, aber messbar.
Das ergibt Sinn, das ist eine schöne Wissenschafts-Geschichte, das kann man auf Partys erzählen und fröhliche Aha-Erlebnisse auslösen.
Das Problem ist nur: Es stimmt nicht. Wenn man genau nachmisst, stellt man fest: Die Erde dreht sich im Winter langsamer, nicht schneller.
Das liegt nicht daran, dass die Blätter-These falsch ist, sondern daran, dass sie von einem anderen, mächtigeren Effekt überlagert wird: Die Luftströmungen der Erde ändern sich nämlich auch mit den Jahreszeiten. Und gewaltige Luftmassen ändern die Rotation des Planeten stärker als fallende Blätter.
Wenn man mal die starken Einflüsse wie Wind und Meeresströmung ignoriert, müssten die restlichen Faktoren ziemlich komplex sein. So ist das im Winter fallende Laub ja etwas trockener als im Sommer; Wasser verdunstet? Ist im Winter global mehr Wasser in der Atmosphäre oder weniger?
True, aber dann müsste Süden Sommer und Norden Winter haben, weil der Süden mehr Wasser zum verdampfen hat. Aber durch die Luftströmungen verteilt sich das, der Schnee bleibt aber liegen. Ich merk grad selbst dass man das ad absurdum weiterdenken kann.
Was Vielen überhaupt nicht klar ist, dass die Erde sich in unserem Winter näher bei der Sonne befindet und deswegen schneller um die Sonne dreht als im Sommer.
Daraus resultiert auch, dass der Winter weniger Tage hat als der Sommer. (Was ich doppelt blöd finde. 😒)
Danke für die Erklärung. Echt eine spannende Geschichte, wer hätte das gedacht. Ob da auch noch veränderte Meeresströmungen mit unterschiedlicher Temperatur/ Dichte dazukommen?
Habe ich mich auch gefragt. Aber nachdem die Geodäsie-KollegInnen das mit atmosphärischen Effekten so gut hinbekommen, dürften Meeres-Effekte eine untergeordnete Rolle spielen.
Die im Meer treibenden Eisberge dürften eh nicht viel ausmachen. Geht ja hauptsächlich um die mehren Kilometer dicken Eisschichten auf dem Festland. Primär Grönland und Antarktis.
Interessant. War mein Gedanke doch nicht so falsch.
Der Schwerpunkt der Masse an den Polen – wo sie kaum Einfluss auf die Rotation hat – verteilt sich in die Meere, womit ein gedachter Schwerpunkt Richtung Äquator und nach »oben« rutscht, die Rotation verlangsamt sich.
Schon nach dem ersten Satz habe ich gedacht:
"Dreht sich die Südhalbkugel schneller als die Nordhalbkugel?", und da wurde der Unsinn schon sichtbar.
Big picture dies das.
Ich frag mich ja immer, wie die Welt aussehen würde wenn es nicht Nord- und Südpol gäbe, sondern Ost- und Westpol, die Erde aber sonst weiter in der gleichen Bahn um die Sonne wandert.
Jahreszeiten auf dem Uranus, der ist etwa so orientiert.
Da die Rotationsachse im Raum stabil ist (jedenfalls zur Jahrelänge), zeigt ein Pol einmal pro Jahr zur Sonne, so dass eine Hälfte des Planeten ein halbes Jahr Tag und dann Nacht hat.
Ungemütlich.
Ich bin zu dem Thema schon vor 19 Jahren einem Mitarbeiter des Bundesamts für Kartographie und Geodäsie auf den Leim gegangen und musste revidieren. https://www.zeit.de/2005/51/Stimmts_51
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Das Problem ist nur: Es stimmt nicht. Wenn man genau nachmisst, stellt man fest: Die Erde dreht sich im Winter langsamer, nicht schneller.
Daraus resultiert auch, dass der Winter weniger Tage hat als der Sommer. (Was ich doppelt blöd finde. 😒)
Die im Meer treibenden Eisberge dürften eh nicht viel ausmachen. Geht ja hauptsächlich um die mehren Kilometer dicken Eisschichten auf dem Festland. Primär Grönland und Antarktis.
https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2024/klimawandel-eisschmelze-laesst-erde-langsamer-rotieren/
Der Schwerpunkt der Masse an den Polen – wo sie kaum Einfluss auf die Rotation hat – verteilt sich in die Meere, womit ein gedachter Schwerpunkt Richtung Äquator und nach »oben« rutscht, die Rotation verlangsamt sich.
Laienhaft versucht. Danke.
"Dreht sich die Südhalbkugel schneller als die Nordhalbkugel?", und da wurde der Unsinn schon sichtbar.
Big picture dies das.
Da die Rotationsachse im Raum stabil ist (jedenfalls zur Jahrelänge), zeigt ein Pol einmal pro Jahr zur Sonne, so dass eine Hälfte des Planeten ein halbes Jahr Tag und dann Nacht hat.
Ungemütlich.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Uranus_(Planet)
https://www.zeit.de/2005/51/Stimmts_51