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Literatur und Musik sind Grundnahrungsmittel. Im Kopf stets einen Waldpfad, im Herzen eine Katzenklappe. Sprache ist mein Lieblingsspielplatz.
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Wahlsonntagmorgen. Der Morgensonne ist es gleichgültig, ob wir uns den geifernden Machtpuppen ausliefern, sie bescheint Gehhilfen und Polizeiknüppel und Gärten und Planierraupen. In vielen Herzen regnet es Wut und Angst - welche Wolken werden sie in die Welt tragen? Ein Zeiger springt auf 1 vor 12.

Vor dem Erste-Hilfe-Kurs zur Auffrischung kommt erstmal die Nullte Hilfe in Form von Kaffee. Moin!

Stadtmorgen. Die Straßen haben Wahlgesichterakne, Broschüren wollen rasch noch neue Meinungen in die Köpfe tapezieren. Nachrichten zeigen eine Welt ohne Kompass, Regel oder Maß. Woran hält man sich fest in einer bitteren Cartoonrealität? Hier ein Brötchen, da ein Schuh. Vielleicht ein Lächeln.

Februarstadtmorgen. Herrenlose Zeitfresserchen ziehen durch die Straßen und suchen Menschen, denen sie sich anhängen können, verwandeln sich in Baustellenumwege, Behördentermine, kryptische Behördenformulare und Telefonwarteschleifen. Schöne Stunden tanzen Ausweichtänze - manche gelangen ans Ziel.

Kranktag. Der Stundenzeiger liegt eingewickelt krumm im Bett und rührt sich nicht, an ihm wird sich heute keine Arbeitszeit vergehen. Die Welt ist Puzzle, das Denken sitzt wattigwacklig davor und findet nichts zusammen. Der Tag wird dann plötzlich vergangen sein, ohne stattgefunden zu haben.

"Und? Sind Sie nicht auch stolz darauf, Deutscher zu sein?" "Aktuell ist es mir sogar peinlich, der Gattung Mensch anzugehören."

Ich habe die "*googelt <Nasenkorken>"-Phase meiner Erkältung erreicht und möchte nicht darüber reden.

Flüchtlingslager sind so ein bisschen wie Fußmatten vor der Haustür der Nationen. Es mag Willkommen draufstehen, aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass die Menschen dort oft wie Dreck behandelt werden.

Februar. Das nichtmehrganzsoneue Jahr atmet die Tage weg wie ein hungriges Kleinkind, das gar nicht genug bekommen kann. Es grabscht sich große Pläne vom Buffet, verkrümelt Termine im Kalender. Zwischen vollwertigen Urlaubsmenüs und Dienstdiäten schluckt es Arztterminpillen und Konzertkekse.

Stadtvormittag. Kaltregentropfen streiten, ob sie langweilig fallen & liegenbleiben oder lieber auf Schirmen, Windschutzscheiben und Schultern mitreisen wollen. Pfützen hängen sich fleckenweise an Schuhsohlen, schmuggeln sich in Treppenhäuser. Manche erreichen Teppichparadiese und vergehen selig.

Stadtvormittag. Die Frühschicht der verbeamteten Fassadenlinien macht Pause. Grau und Braun kamen staubedingt später und richten das Tagespensum an Tiefenschärfe ein. Blatt- & ratlos, als wüssten sie nicht, ob ihr Vertrag verlängert wird, stehen die Parkbäume herum. Orange hat sich krankgemeldet.

Dorfnacht. Lebensfäden ziehen sich hinter dunklen Fenstern durch den Augenblick. Ruhige Atemlieder untermalen ein Schweigen zu still selbst für Münder. Kleine Herzen in Pelz schlagen schnell, aber stumm. Große Herzen in Haut trommeln leise ihre Namen als Wegweiser zur Rückkehr am Morgen.

Dorfmorgen. In dieser Stunde mögen sich alle Dörfer - in Savannen, Gebirgen, Urwäldern , an Meeresküsten - gleichen. Noch schlaftrunken gleitet der Blick die dunkle Gasse entlang, etwas huscht von Schatten zu Schatten, der in der Stille viel zu laute Atem, der wachnüchterne Schritt hin zum Tag.

Dorfmorgen. Das Leben malt sich mit dünnen Linien ins werdende Licht, ein blasser Rauchfaden, eine schmale Spur im Frostweiß, ein Küchenlicht, eine Hoflaterne. Das ungeschützte Sein wird bald mit dem täglichen Firnis aus Bedeutsamkeit überzogen. Nur jetzt in dieser jungen Stunde ist es einfach SO.

Stadtwintermorgen. Klarkalt warten die künftigen Gedanken auf Hirne, die ihnen die Scheiben freikratzen und die Motoren wärmen. Eine Einkaufsliste holt Brötchen. Drei Konzeptideen warten auf den Teamgeist. Ein Plan springt nicht an. Ein Gefühl steht lächelnd am Fenster und trinkt erstmal Kaffee.

Ich erwachte heute morgen mit dem Satz "Küsse sind Croissants für die Seele" und irgendwo in meiner Ahnenreihe versteckt sich ein Spruchkartendesigner.

Dorfmorgen. Auf dem Boden der Ewigkeit stehen die windschiefen Häuser der Jahrhunderte. Darin wohnen alte und junge Jahre. Sie gehen in den Gassen des Geschehens einher, führen aufgeregte junge Stunden an der Leine. Ein alter Monat muht im Stall. Durch eine Ritze im Sein huscht grau eine Sekunde.

Ich glaub, ich stehe im Wald und sehe die Brandmauer der CDU gegen rechts.

Dorfmorgen. Doppellichter springen an, ein Motor, ein Musikwummern, und pflügen sich durch das Dunkelstill fort zu fernem Gewimmel. Die Schildkrötendisco eines Türlichts mit Farbwechsel bleibt zurück als einsame Lichtung in dem zum Tag hin schmelzenden Schattengrau der langen Gasse.